aus Diskussionen zu: Geld allein genügt nicht

Moderator: BGE

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KlBi
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aus Diskussionen zu: Geld allein genügt nicht

Beitrag von KlBi »

http://www.bge-forum.de/viewtopic.php?f=4&t=288
Georg hat geschrieben:Hallo,

ich habe vor ein paar Monaten mal Andrea Nahles zum Thema Grundeinkommen geschrieben. Ihre Argumente dagegen klangen etwa so:

Das bedingungslose Grundeinkommen sei, so Nahles, nicht emanzipatorisch. Für sie stünde die Arbeitsgesellschaft im Vordergrund, und man merkte in allem, daß das Grundeinkommen für sie diese Arbeitsgesellschaft zerstören würde. Ihr Vater ist Maurer, und sie scheint sich eben am meisten für das "klassische" sozialdemokratische Weltbild zu interessieren, auch wenn das schon länger nicht mehr in der Wirklichkeit zu finden ist...

Für Frau Nahles wäre das Grundeinkommen ein "Exklusionsbeitrag". Die, die man aus der Arbeitswelt rauswerfe, so in etwa, würden damit materiell abgesichert. Sie schrieb: [...] so stelle ich mir eine Gesellschaft nicht vor und ich glaube auch, dass die Menschen anders leben wollen. Mitten drin, mit Arbeit, mit einem anerkannten gleichberechtigten Leben. Wir streiten uns hier über den Weg, der eingeschlagen werden sollte, um das zu erreichen. Nur weil das jetzige System fehlerhaft ist, muss ein radikaler Systemwechsel nicht die Lösung sein, zumal von denen, die nicht Grundeinkommen, sondern Bürgergeld wollen und die, sorry wenn ich das sagen muss, mehr Chancen auf gesellschaftliche Mehrheiten haben als die Befürworter von bedingungslosem Grundeinkommen. "

Sie sagte dann, sie mache oft Bürgersprechstunden (und das stimmt, in ihrem Wahlkreis ist sie wohl sehr oft), und mache sich zum Thema viele Gedanken.

Aber das bedingungslose Grundeinkommen lehnt sie eben knallhart ab. Sie sprach sogar von "großem Geheule", in das sie nicht einstimmen wole, und daß das bGe eine "vermeintlich einfachere und befreiende Lösung" sei.
Wer sowas anfängt, sollte auch die Folgen sehen. Für sie ist es eine Utopie, die scheitern würde.
Na ja, und dann, zu meiner Überraschung, schrieb Andrea Nahles, als wäre sie damals nicht wirkliche Gegnerin von "Hartz4" gewesen, daß "Fördern und Fordern" richtig wäre, aber man habe es halt falsch angefangen...

Frau Nahles als linke SPDlerin in einer seit Schröder, Clement und anderen Genossen sehr veränderten Partei setzt auf "mehr Fördern", und meint damit so etwas wie, schwer vermittelbare Leute mehr fördern. Letztendlich scheint Frau Nahles zu glauben, die 25 Jahre mindestens, in denen es keine Vollbeschäftigung gab, seie so etwas wie ein "Unfall". Sie ist ganz sicher nicht für die absurd niedrigen Löhne, die gezahlt werden, aber sie träumt noch von der Vollbeschäftigung bei gerechten Löhnen. Ihre Schwäche ist, so scheint es mir jedenfalls, daß Sie damit die Niedriglöhne stillschweigend schönredet, und das wäre dann völlig gegen ihre eigenen Ansichten. Es wird eben keine Vollbeschäftigung bei guten Löhnen mehr geben... Und ihr Menschenbild scheint ziemlich negativ geprägt zu sein - a la, wer nicht arbeitet, weiß ohnehin nichts mit sich anzufangen, (ist nicht "mittendrin", wie sie sagt).

Das nur als kleine Ergänzung. Ich weiß nicht, was Frau Nahles am SPD-Beitrag mitgeschrieben hat, ich komm grad erst nach ein paar Wochen zurück zum Internet, und hab den SPD-Beitrag bisher nicht gelesen.
Viele Grüsse an alle!
Nabend und willkommen Georg!

Danke für die Wiedergabe dieser Nahlesgedanken. In der Taz gab es mal (10.03.2007) ein "Streitgespräch" zwischen Nahles und Kipping:
http://www.taz.de/index.php?id=archivse ... 3/10/a0154

Was du wiedergibts erinnert an dieses SPD-Papier und bestätigt auch, daß dieses Papierchen für die genervten Genossen geschaffen wurde und ihrem heldenmütigen Kampf gegen das "große Geheule" die Munition liefern soll.
Für sie [Nahles] stünde die Arbeitsgesellschaft im Vordergrund, und man merkte in allem, daß das Grundeinkommen für sie diese Arbeitsgesellschaft zerstören würde.
Inzwischen ist es so, daß das bge diesen "Traum" von einer Arbeitsgesellschaft eher realisiert als das SPD-Gestammel. "Wir" argumentieren hier völlig falsch, in etwa: die "Erwerbsarbeit" nimmt immer mehr ab und daher braucht man das bge um diejenigen die nicht an der "Arbeitsgesellschaft" teilnehmen wollen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Was ist aber mit denen, die am Arbeitsleben teilnehmen wollen? Da antworten viele defensiv: na die können ja.
Mit demselben BGE ohne irgendwas an den Konzepten zu ändern, kann man aber durch aus die Parole vertreten:

Vollbeschäftigung durch BGE!.

Viktor Panik hat seit Monaten z.B. fast nur auf die Möglichkeiten hingewiesen, bei einem bge auf einfache weise hinzuverdienen zu können.

Und was heißt konkret "Arbeitsgesellschaft"? Nach der Definition für Erwerbsarbeit gilt:
Statistisches Jahrbuch 2008 (pdf-Datei)
Erwerbstätige sind Personen im Alter von 15 Jahren und mehr, die im Berichtszeitraum wenigstens eine Stunde für Lohn oder sonstiges Entgelt irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachgehen bzw. in einem Arbeitsverhältnis stehen (Arbeitnehmer einschl. Soldaten und Soldatinnen sowie mithelfende Familienangehörige), selbstständig ein Gewerbe oder eine Landwirtschaft betreiben oder einen freien Beruf ausüben. Je nach Verwendungszweck werden die Erwerbstätigen mit Wohnsitz in Deutschland (Inländerkonzept) dargestellt.
Seite 77, Statistisches Jahrbuch 2008
Berichtszeitraum soll eine Woche sein. Das heißt, jemand der 1h in der Woche für "Geld" arbeitet gehört zur Arbeitsgesellschaft. Demselben Jahrbuch auf Seite 85 entnimmt man, daß 2006 von 82 Mio Bürgern nur 34 Mio Bürger "überwiegend von Erwerbsarbeit leben". Und der Rest?

Werden mit einem BGE nicht vielmehr Menschen am Erwerbsleben teilnehmen? Ich denke schon!

soweit erstmal, schön, daß Du der Tante Nahles etwas entlocken konntest. Nach meinen Infos reagiert sie gar nicht mehr auf Fragen zum BGE. Insgesammt stecken diese Typen in der Defensive und wissen nicht mehr, was sie sagen sollen. Aus meinen spärlichen internen Einsichten weiß ich z.B., daß die Genossen um alles in der Welt öffentliche Wahlkampf-Veranstaltungen scheuen, in denen SPD-ler und Grüne (bge-Freunde) u.a. über das bge streiten. Da ziehen sie voll den kürzeren. Die Erfahrungen mit abgeordnetenwatch zeigen ähnliches: komplette Hilflosigkeit, hervorgerufen entgegen besseren Wissens am BGE herumzunörgeln zu "müssen".

liebe Grüße
Klaus B
Zuletzt geändert von KlBi am Fr Mär 13, 2009 1:59 am, insgesamt 1-mal geändert.
KlBi
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Beitrag von KlBi »

übertragen aus der Gästerubrik
http://www.bge-forum.de/viewtopic.php?f=10&t=297
Anonymo hat geschrieben:Ich habe das Pamplet der SPD mal überflogen und mir fiel auf, dass dort nirgends ein Für und Wider der Finanzierbarkeit durch Steuerreform thematisiert wird. Kann und muss man daher im Umkehrschluss also davon ausgehen, dass die SPD das BGE grundsätzlich für machbar, aber aus rein ideologischen Gründen nicht einfach nicht für richtig hält?

Wenn dem so ist, ist das eine sehr interessante Tatsache, denn das würde bedeuten, dass sogar diese Proffessoren und Doktoren der SPD-Elite keine harten Fakten gegen das BGE haben, sondern vielmehr nur einen Schwall von nebulösen gewerkschafts-sozialen Ideologiegemälden. Gewerkschaften sind per Definition nur für die Arbeitnehmer da, daher deren Fokussierung auf die angebliche gesellschaftliche Definition des Menschen durch seine Erwerbsarbeit. Und diese Ideologie bekommt nun durch Ideen wie das BGE Muffensausen an Bedeutung und Allgemeingültigkeit zu verlieren, was einen der Grundpfeiler auf den sich die SPD als politische Bewegung stützt, erheblich erschüttern würde. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des von neoliberalen "Sachzwängen" verbogenen Sozialstaat, welcher das Label Hartz IV trägt. Gewerkschaften sind bei allen Verhandlungen hauptsächlich dadurch in Erscheinung getreten, der allein rechtmäßige politische Arm des Arbeitnehmers zu sein (versucht mal, einen legalen Streik ohne Gewerkschaft durch zu führen). Ein BGE würde eine Gewerkschaft fast völlig überflüssig machen. Alles wofür sich Gewerkschaften seit Jahrhunderten einsetzen tritt in einer BGE-Welt in den Hintergrund, da die Bezahlung den alleinigen Anreitz ausmachen würde, eine Arbeit an zu nehmen und die Menschen eventuell sogar merken würden, dass seine Wertigkeit definiert durch seine Erwerbsarbeit ein blödes, von Pappa-Gewerkschaften erzähltes Märchen war.
So gesehen finde ich es ziemlich logisch, warum die SPD etwas gegen das BGE hat.

Oder mit Tucholsky gesprochen:
dit is so ein beruhijendet Jefühl: Man tut wat for de Revolution und weeß janz jenau, mit diese Partei kommt se janz bestimmt nich!

Hallo Anonymo!

Willkommen hier im forum und besten Dank für deine Meldung. Zu dieser Tierse-Schwan-Kampfschrift gibt es schon zwei threade:
SPD: "Geld allein genügt nicht"
Dort zerrupfe ich gerade dieses Papierchen und komme zu ähnlichen Resultaten. (es ist eine Artikelserie, die noch nicht vollständig ist), und ein weiterer thread:
Diskussion zu: "Geld allein genügt nicht"

In diesen thread kopiere ich deinen Artikel hinein...

In meiner Verarbeitung der Krampfschrift und in "Diskussionen" habe ich breits darauf hingewiesen, daß die SPD-Elite wider besseren Wissens gegen das BGE zu Felde zieht. In der Tat, die Finanzierung wird gar nicht erwähnt. Danke für diesen Hinweis, das ist mir gar nicht richtig aufgefallen. Es ist damit auch klar, daß die Finanzierung heute kein Problem mehr darstellt. Es gibt ja auch diverse Berechnungen, so daß man den Genossen ihr Opus um die Ohren hauen würde, wenn sie mit ollen Kamellen kämen. Die Methode ist hier: blos keine schlafenden Hunde wecken. Das heißt, man hebt die Finanzierbarkeit gar nicht etwa erst hervor und setzt auf eher uninformierte sozialdemokraten, die das Teil mit einer im Kopf spukenden Unfinanzierbarkeit lesen ("ist ja eh nicht finanzierbar und außerdem spaltes es die Gesellschaft...").
Ein BGE würde eine Gewerkschaft fast völlig überflüssig machen.
Wenn man darunter nur noch ein Organ versteht, das Löhne und Gehälter aushandelt, mit Sicherheit. Studiert man aber ein wenig die Geschichte der Arbeiterbewegung stellt man schnell fest, daß z.B. Genossenschaften mal ein großes Thema sowohl für Gewerkschaften als auch vor allem für die Sozialdemokratie waren. Man denke an Ferdinant Lassalle. Seine Auffassung war, der Staat sollte die Bemühungen der Arbeiter aus der kapitalistischen Ausbeutungsmühle -eben durch aufbau eigener Betriebe- mit Krediten unterstützen. Dazu allgemeines Wahlrecht und der "Sozialismus" war für ihn fertig. Und mit BGE? Das ist doch geradezu wie für "alternative Betriebsformen" erfunden. Das größte Problem, für die Schaffung von Genossenschaften und auch "normalen" Betrieben ist doch, daß die Menschen am Anfang nicht existieren können. So ein Betrieb muß doch erst aufgebaut werden. Ehe er überhaupt die Existenz sichert, können viele Monate vergehen. Und dabei würden Gewerkschaften durchaus eine nützliche Rolle spielen, nicht wie man Geldmittel beschafft, sondern mehr das organisatorische, Erfahrungaustausch und Verbindung und Anschluß von solchen Wirtschaftseinheiten an die Wirtschaft. (Es gibt noch weitere Betätigungsfelder, wie z.B. Ausbildung und Weiterbildung, Mitbestimmung). Eigentlich entlastet doch das BGE die Gewerkschaften von den lästigen Tarifkämpfen, die obendrein die ganze Atmosphäre vielseitig vergiften: Wenns beim Tarif nicht klappt versuchen manche Gewerkschaftler aus Ärger dem Arbeitgeber die Anschaffung u.U. überflüssiger Toiletten aufzuhalsen. Hier sollte man sich vielleicht auch mal konkreter mit Gewerkschaften befassen, zumal es dort auch bge-AGs gibt.

Das dumme ist ja, meiner Meinung nach, daß das bge vollkommen spd/gewerkschafts-kompatibel wäre, gerade wenn man "Erwerbsarbeit" für wesentlich ansieht.
So gesehen finde ich es ziemlich logisch, warum die SPD etwas gegen das BGE hat.
Daß es einem logisch vorkommt hilft ja nix!
Ich denke, das hat eher was mit "alles läuft seinen sozialistischen Gang" zu tun. Für alle Parteien, Vereine und Organisationen inclusive attac und "Netzwerk Grundeinkommen" gilt: die Basis sind die Mitglieder. Die treten freiwillig bei. Mehr als 2/3 beschränkt sich auf passive Mitgliedschaft. 1/3 sind die "Aktiven", Menschen die sich in ihrer Freizeit regelmäßig treffen um die Angelegenheiten der Partei/Verein, der Gesellschaft und auch privates zu beackern. Davon stellen sich einige für "Funktionen" zur Verfügung, auch kostenlos und von daus gehts dann durchaus durch Wahlen nach oben, bis zum Kanzlerkandidaten.
Die Leute, die Funktionen haben, befassen sich mit irgendetwas. Z.B. Bildung, sie studieren die ganzen Gesetze, Finanzierungspläne und denken sich Schulmodelle aus und haben natürlich ein entsprechendes soziales Politumfeld. So jemand läßt nur ungern alles stehn und liegen und wirft sich auf was ganz neues, wie eben das bge.
Ich z.B. bin derzeit mit dem bge beschäftigt. Mein eigentliches Interesse ist aber "Multikulti", z.B. die türkischstämmige Vereine in Kreuzberg, z.B. Städtepartnerschaft Kadiköy/Istanbul und noch so einiges. Wenn mir jemand beweisen könnte, daß das bge gemeingefährlich ist, wäre ich sehr dankbar! :mrgreen:

Und als Volksvertreter: Warum sich zusätzliche Arbeit aufhalsen? Jeder Volksvertreter hat sein Steckenpferd. (Warum sind denn die Grünen ende der 70er entstanden?).


Und was resultiert aus deiner Erkenntnis für die "politische Praxis"? Es ist auch "logisch", daß die CDU gegen ein BGE ist. Alles ist letzlich logisch, d.h. der menschliche Verstand sucht so lange Erklärungen, bis er sie gefunden hat. Pech ist dann nur, wenn sie so beschaffen sind, daß man nix mehr machen kann.
Und nach dieser "Logik" muß man davon ausgehen, solange die großen Parteien die Regierung stellen, kann man seine bge-Aktivitäten im Prinzip einstellen. Oder man fängt an zu spinnen und träumt von der Abschaffung großer Parteien oder gar der gerade existierenden parlamentarischen Demokratie, d.h. die Aktivitäten werden auf Verzweiflungs"taten" umgelenkt. Und dann kann man sich auch ein anderes Hobby suchen. :mrgreen:

abendliche Grüße
Klaus B
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