Forum Piratenpartei Deutschland Soz. Plattformen - politischer Diskurs - was muss sich ändern?

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root
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Forum Piratenpartei Deutschland Soz. Plattformen - politischer Diskurs - was muss sich ändern?

Beitrag von root »

zu:
https://forum.piratenpartei.de/t/soz-pl ... dern/10995
syna, post:1, topic:10995, full:true hat geschrieben: Ja - hier geht's jetzt mal nicht um den "Niedergang der Piratenpartei" - vielleicht steht die
ja wieder auf - sondern um den Diskurs auf den sozialen Plattformen und in der
Gesellschaft insgesamt.

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--- **Wo fange ich bloß an?** ---

Unsere Demokratie basiert auf Gewaltenteilung in die
(1) Exekutive (Bundesregierung, Verwaltung, Polizei),
(2) Legislative (Bundestag, Bundesrat) und die
(3) Jurisdiktion.
Als vierte, ebenfalls unabhängige Gewalt geben wir gerne den
(4) Journalismus an. Gerade diese vierte Gewalt ist sehr sehr
wichtig, weil sie ja den gesellschaftlichen Diskurs zumindest
mitgestaltet.

Ich habe heute den Eindruck, dass diese vierte Gewalt nicht mehr
existiert - oder zumindest vollkommen ausgehebelt wurde. Und
zwar durch die "Sozialen Plattformen" Facebook, Twitter-X,
TikTok usw. Die Konzerne dahinter sammeln nicht nur persönliche
Daten, nein, sie formen und prägen die "öffentliche Meinung"
und nehmen dadurch unsere Gesellschaft insgesamt in
Geiselhaft.

Durch die von ihnen geförderte Empörungskultur werden rechter
Populismus und irrationale Fake-Narrative nach oben gespült
und in den vielen Bubbles verbreitet.

Wer hätte gedacht, dass ein Fake-speihender debiler Typ wie
Trump zum Präsidenten gewählt wird? Wer hätte gedacht, dass
die Mehrzahl der Briten für einen Brexit stimmen würden? Wer
heute mal bei Tiktok oder Facebook reinschaut, wird sich über
die große Zahl der Putin-Unterstützer und Hamas-Unterstützer
sehr wundern.

In der Anarcho-Bubble-Kultur der sozialen Plattformen dominieren
fast immer die schrägsten, hasserfüllten Schreihälse, die die
niedersten Instinkte der Menschen erwecken. Die Fake-
Emörungskultur spült rechte irrationale Hassmeinungen ganz
nach oben. Sie verzerrt damit nicht nur den öffentlichen Diskurs -
nein sie schafft ihn sogar ab.

Fakten? Investigativer Journalismus? Wen interessiert das noch?

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Also: Ich glaube nicht mehr, dass der einzelne Mensch unabhängig
im Denken ist und das politische Geschehen korrekt einordnen
kann. Die Mehrheit der Menschen ist ein Spielball geschickter
Demagogen und lautstarker Verführer: Wer am lautesten und am
meisten schreit, hat immer recht.

Das sieht man auch daran, dass in Russland fast 80% der Menschen
Putins Krieg gutheißen. Warum ist das so? Weil die Menschen dort
zu dumm sind? Antwort: Nein, auf keinen Fall! Das ist so, weil das
permanente Medien-Bombardement die Menschen in voller
Überzeugung so denken lässt.

Die Mehrheit der Menschen ist überall und fast immer vom
dominierenden medialen Diskurs abhängig und wird durch ihn
geprägt. In Rußland sind es die gleichgeschalteten Putin-Medien,
in den USA schießen Breitbaart und Vox ständig in den Fake-
Himmel, und bei uns sind es die sozialen Plattformen (abgesehen
von den ganz Wenigen, die noch Zeitung lesen oder politische TV-
Sendungen sehen).

Die von den Piraten mal hochgelobte Schwarmintelligenz gibt es
gar nicht. Die ist eher wie ein Schwarm Mistfliegen, die sich gezielt
auf den größten Haufen setzen.

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Es gibt ein Problem mit der öffentlichen Diskurs, mit der vierten
Gewalt. Ich habe leider kein Lösungsrezept parat. Vielleicht habt
ihr ja ein paar Vorschläge - oder einfach ein paar Gedanken dazu ...


Mir scheint, es ist immer dasselbe Problem, welches Sie quält. Die freie, unzensierte Rede. Ein Mittel gegen diese Freiheit brauchen Sie nicht lange suchen, nennt sich Zensur und findet seit Neuesten z.B. im Piratenforum statt. Damit könnte ich meine Antwort beenden.
Aber Ihr Text enthält so viele Irrtümer, Vorurteile und Wunschdenken, dass ich da noch etwas näher drauf eingehen will.
Zunächst mal freut es mich, dass Sie den gemeinen Russen, dem Sie ja an anderer Stelle eine Art Gewaltgen angedichtet hatten, nun von solchen natürlichen Defekten freisprechen. Woher auch immer der Sinneswandel, er ist zu begrüßen. Der Russe ist nicht von Natur schlecht, sondern Opfer von Putins Propaganda.
Indessen ist Propaganda schon immer das Mittel gewesen, Menschen in den eigenen Bannkreis zu ziehen.
Im Einparteiensystem gibt es nur einen, in der Demokratie, an der Sie sich wärmen, gibt es mehrere solcher Bannkreise. Diese ermöglichen dem einzelnen mehr Informationen zu bekommen, allerdings alle auf ihre spezifische Art Propaganda-gefärbt.
Zwei oder mehrere unterschiedliche Propagandazentren ersetzen aber kein Wissen, welches für kompetente Entscheidungen notwendig wäre.
Die Berieselung des Geistes, die bestimmte Vorurteile bestätigt und verstetigt, führt dazu, dass die meisten Menschen bei ihrem „Propagandaminister“ verharren. Dieser wird auch nicht der Propaganda bezichtigt, sondern als der einzige Mensch, der die Wahrheit auf der Zunge trägt, verehrt.
D.H. wenn jemand Sozi ist, dann bleibt er es meist, egal was passiert. Wie im Fußball, entweder du bist Hertha-Fan oder Dortmund-Fan oder Weiß-der-Geier-Fan. Ein Fan-Wechsel kommt selten vor und der Fanstatus ist sogar erblich, geht gewissermaßen von Vater auf den Sohn über.

Nun kritisieren Sie, dass Trump Präsident wurde. Dass unter den 330 Millionen Amerikanern lediglich ein Alzheimergeplagter 80-Jähriger Greis oder ein „Fake-speiender debiler Typ“ das Zeug zum Präsidenten haben, sollte auch Ihnen zeigen, dass es hierzulande um die Demokratie schlecht bestellt ist.
Sie scheint aber am System nur zu stören, dass auch Menschen an die Macht gelangen können, die Ihre Auffassung nicht teilen. Solange Ihre Partei - sprich Mannschaft - die Tore schießt, ist alles paletti. Das ist amüsant, zeigt es doch die Begrenztheit Ihrer Welt.
Des Weiteren machen Sie für den Brexit das Versagen einer scheinbar 4. Macht verantwortlich. Auch das ist kurios, weil beide, Brexit- und EU-Fraktion, von einem Medientross mit Fanfaren, Pauken und Trompeten begleitet wurden.
Es ist ja leider nicht so, wie es Ihnen in Ihrer Naivität vorkommt, dass der Neonationalismus von lauter „hasserfüllten Schreihälsen, die die niedersten Instinkte der Menschen erwecken“ „erfunden“ wurde. Nationalismus ist eine Ideologie. Sie hat Schreihälse ebenso wenig nötig wie das Christentum.
„Deutschland den Deutschen“ ist nicht weniger irrational wie „die Ukraine den Ukrainern“. Das nachzuvollziehen bedarf Ihrerseits Mut und Tapferkeit, ich weiß, ist wie mit dem Trump-Biden Paradoxon.
Dem Nationalismus, auch und besonders dem völkischen, liegt eine Ideologie zugrunde, die von ihren Vertretern durchaus ruhig und klar vorgetragen wird.
Hier z.B. eine deutschnationale Auseinandersetzung mit der neuen Wagenknecht-Partei.
https://sezession.de/68287/drei-antwort ... agenknecht

Ihre verkürzte Sicht auf Schreihälse, Demagogen u.v.m. verkleistert das Problem.
Die Menschheit befindet sich gegenwärtig in einem Globalisierungsprozess. Hier sind durchaus historische Parallelen zu den Verhältnissen am Anfang des letzten Jhd. Damals haben die Nationalisten den Sieg davongetragen, offensichtlich war die Zeit für das „globale Dorf“ noch nicht reif. Heute liegt es an den aufgeklärten Menschen, ob sie es schaffen, eine globale Organisationsstruktur jenseits des Nationalstaates zu erarbeiten.
Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, da sollte es niemanden wundern, dass alle Werte, Privilegien, Gewissheiten usw. auf den Prüfstand kommen. Wenn die alte Ordnung nicht mehr in der Lage ist unser Zusammenleben auf dieser neuen globalen Ebene zu regeln, dann gibt es Geschrei und den Rückkehrwunsch in die Vergangenheit, als alles noch in Ordnung war. Wo aber sind diejenigen, die nach vorne denken?

Kurz noch ein Wort zur Schwarmintelligenz. Wie bei jeder Medizin ist auch Schwarmintelligenz nicht gegen jede Krankheit wirksam.
1000 Menschen in der Kirche sind nicht intelligenter als ein Mensch in der Kirche.
Bei 10 Menschen, die keine Ahnung von Verbrennungsmotor haben, hilft die Schwarmintelligenz kaum weiter, um das Fahrzeug wieder zum Laufen zu bringen. Wenn etwas nur kompliziert ist und Fachwissen, also Kompetenz benötigt, ist Schwarmintelligenz ungeeignet.
Bei neuen, komplexen Problemstellungen (z.B. Globalisierung?) hingegen wäre Schwarmintelligenz der Schlüssel.
Danke für Aug&Ohr.
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