Hallo Tomorrow.Tomorrow hat geschrieben:Und wem haben wir diesen Fortschritt zu verdanken?kleiner070879 hat geschrieben:
Du willst jetzt nicht ernsthaft die Lebensbedingungen von vor 50 Jahren mit den heutigen vergleichen oder? Im vergleich zu heute lebte man vor 50 Jahren fast noch so wie im Mittelalter, da waren selbst Toiletten in vielen Wohnungen nicht vorhanden.
Der Lebensstandart hat sich allen voran durch den Technologischen Fortschritt massiv verändert. Wir vergleichen unsere Lebensverhältnisse und wirtschaftlichen Leistungen schliesslich auch nicht mit denen aus Timbuktu.
Richtig. Der Marktwirtschaft bzw. dem Kapitalismus.
Den Fortschritt haben wir, wesentlich, der schöpferischen Kraft der Menschen zu verdanken.
Es wäre daher die Frage zu stellen unter welchen Umständen diese Kraft sich am produktivsten entfalten könnte.
Menschen die sich mit unpraktischen Dingen befassen haben im Kapitalismus die geringsten Überlebenschancen. Forschung ist solange "unpraktisch" wie sie kein verwertbares Ergebnis liefert.
So wie auf tausende Schriftsteller maximal einer kommt der von seiner Arbeit leben kann, so ist es auch in anderen kreativen Bereichen.
"Kapitalismus" beutet das Wissen aus -so wie Raubbau an Umwelt und Mensch seine vordringlichsten Eigenschaften- er produziert es nicht.
Die gesellschaftliche Einbettung der Wirtschaft durch eine ordnende Wirtschafts-, Fiskal- und Sozialpolitik - allgemein als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet - ermöglichte die Ausbildung der Massen, die ja eine wesentliche Voraussetzung für schöpferisches Werken, ist überhaupt erst Grundlage für eine "Wissensindustrie".
Deine Begrifflichkeiten zugrunde legend, wäre die Marktwirtschaft eher sozialistischen Systemen zuzuordnen als kapitalistischen.
2.
Wenn wir nun wissen, wem wir den technischen Fortschritt zu verdanken haben, so wissen wir natürlich nicht, wo die heutigen Probleme ihre Ursache haben und wie eine mögliche Lösung aussehen könnte.
Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit sind wohl die unsere Epoche prägenden Begriffe, obwohl die gesellschaftliche Produktivität sich enorm erhöht hat - also eine reale Ursache (wie: kein Futter wegen Missernten) ausgeschlossen werden müsste.
M.E. haben wir es mit zwei verschiedenen Phänomenen zu tun die zu gewissen strukturellen gesellschaftlichen Änderungen führen.
2.1
Der eine Punkt bezieht sich auf den Wandel der globalen wirtschaftlichen Grundlage.
Sowenig eine Industriegesellschaft mit dem wirtschaftspolitischem Maßnahem einer Agrargesellschaft organisiert werden kann, sowenig kann eine Dienstleistungsgesellschaft mit den wirtschaftswissenschaftlichen Methoden der Industriegesellschaft geregelt werden.
Die Industriegesellschaft schickt Anwerber um die Welt um Arbeitskräfte zu akquirieren – der Mensch hat einen Wert.
Die Dienstleistungsgesellschaft schickt ihr "Militär" aus um Flüchtlingsschiffe zu versenken – der Mensch kostete.
In der Industriegesellschaft finanziert der Arbeiter durch seine Arbeit nicht nur seinen Arbeitsplatz sondern produziert "Gewinn" für die gesamte Gesellschaft.
In der Dienstleistungsgesellschaft müssen Arbeitsplätze finanziert werden, die Arbeit dort reduziert also das gesellschaftliche "Vermögen".
Es sind extreme Unterschiede die leider dem ideologisch getrübten Auge der Wirtschaftswissenschaft bis heute verborgen geblieben sind.
Es wird allerorts von "Ende der Arbeitsgesellschaft" gesprochen. Arbeitsgesellschaft steht für die Industriegesellschaft in der die Arbeit Werte geschaffen, mehr Wert erzeugt hat, als sie selber verzehrte. Ja und diese Arbeit – Arbeit um zu leben - geht zu Ende.
Um das Fehlen solcher Arbeit zu kompensieren hat die Gesellschaft angefangen in Arbeitsplätze zu investieren. Arbeit, die in der Industriegesellschaft noch einen Sinn gemacht und gestiftet hat, wird in der Dienstleistungsgesellschaft zu einer kostenträchtigen, beliebigen - weil der jeweiligen politischen Richtung der Regierung unterworfenen – und vielfach überflüssigen Einrichtung.
Griechenland soll seinen Haushalt u.a. durch Abbau von 13.000 Arbeitsplätzen sanieren.
"Keine Arbeitsplätze" sind "billiger" als "Arbeitsplätze", so könnte man daraus folgern, oder, um ein Thema das bitte im entsprechenden Tread diskutiert werden soll, anzusprechen, die Gesellschaft käme günstiger davon, wenn sie jedem ein BGE auszahlte und auf Eigeninitiative setzte als den Beamtenapparat aufzublähen oder mit ABM und ähnlichen Initiativen Arbeitsplätze bereitzustellen.
Die Produktivität der Wirtschaft verursacht noch ein anderes von Linken und auch Piraten häufig vorgetragenes Problem. Die Zerstörung der Märkte vorwiegend in Drittwelt-Ländern. Die dort vielfach vorherrschende agrarische Wirtschaft kann natürlich in keine Weise mit der Produktivität der Industriegesellschaft mithalten.
Kritisieren sollte man aber m.E. nicht den strukturellen Wandel als solchen, sondern seine unkontrollierte Umsetzung. Unsere Historiker, Soziologen, Ökonomen, alle gesellschaftswissenschaftliche Disziplinen dürften die Auswirkungen solcher grundlegenden strukturellen Änderungen auf das Leben der Menschen kennen. Ein Armutszeugnis westlicher Intelligenz, die hier ihre Augen verschließt, anstatt ihr Wissen nutzend die Umgestaltung zu begleiten.
2.2
Der andere Punkt wäre mit dem Wort Globalisierung erschöpfend behandelt.
Globalisierung entzieht weniger der Realwirtschaft ihre Grundlage als deren gesellschaftlichen Organisation. Globalisierung lockert den staatlichen Einfluss auf den lokalen also nationalen Binnenmarkt. Die Waren- und Menschenströme die vorher durch enge staatlich kontrollierte Kanäle von Binnenmarkt zu Binnenmarkt diffundierten können sich umso freier bewegen, je weiter die Globalisierung voranschreitet.
Allerdings geht so der steuernde nationalstaatliche Einfluss auf den Wirtschaftsprozess peu a peu flöten.
Auch hier übersieht die Wirtschaftswissenschaft mit gewohnter Klarsicht, dass es in der aktuellen Situation gänzlich egal ist, ob man mit Keynes, Eucken, Erhard oder der Bibel hantiert.
Durch die Verschmelzung der Binnenmärkte zu einen größeren Ganzen wie es sich gegenwärtig in der EU zuträgt, müsste auch der wirtschaftspolitische Ansatz sich auf das neue Ganze erstrecken.
Keines der bekannten wirtschaftspolitischen Werkzeuge taugt zur Modellierung des wirtschaftlichen Geschehens auf dem Europäischen Binnenmarkt solange sein Wirkungsraum auf dem nationalen Binnenmarkt beschränkt bleibt. Und er bleibt logischerweise lokal beschränkt bis sich die Regierungen auf gemeinsames Vorgehen einigen oder sich ein Europäischer Staat etabliert der verbindliche Regeln für den europäischen Binnenmarkt festlegt.
Der durch Öffnung der Märkte verursachte Verlust nationalstaatlicher Kontrolle kann grundsätzlich nur durch Globalisierung marktwirtschaftlicher Kontrolle kompensiert werden.
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